Einteiliger Schuh aus dem Norden
Exemplarisch soll an dieser Stelle ein Schuhtyp gezeigt werden, wie er als Vorläufer des hochmittelalterlichen Schuhwerks verstanden werden kann. Dabei handelt es sich (bzgl. der Formgebung) um einen Fund vom Elisenhof in Südschleswig, der vermutlich ins 9./10. Jhdt. zu datieren ist.
Im Gegensatz zum hochmittelalterlichen Schuhwerk - das in der Regel stets getrennte Sohlen und Oberleder aufweist - kommt es hier vor, dass die Schuhe aus einem einzigen Stück Leder gefertigt sind. Die nebenstehende Abbildung zeigt meinen Rekonstruktionsvorschlag für Schuh XII aus dem entsprechenden Kapitel von M.Halds Publikation "Primitive Shoes" (1972), der sich in einigen Details von der ursprünglichen Skizze der Autorin unterscheidet.
Der einteilige Schnitt bedingt natürlich, dass die Naht nur ca. 3/4 des Fußumfangs umfasst. Zudem wird eine Naht an der Ferse notwendig, die im vorliegenden Fall durch beide Lederschichten genäht wurde (keine Stoßnaht). Beinahe typisch für frühmittelalterliches Schuhwerk zu bezeichnen ist der hochgezogene Fersenbereich, durch den hier die Naht besser geschützt liegt als bei hochmittelalterlichen Schuhen.
Übergangsphase im Hochmittelalter
Blickt man von 1250 aus zeitlich reichlich 150 Jahre zurück, nämlich ins ausgehende 11. Jahrhundert, so wird man recht schnell feststellen, dass sich das Schuhwerk von den Schuhen des 13. Jahrhunderts gar nicht so stark unterscheidet. Sehr schön ist dies am Fundkomplex von Schleswig festzustellen, in dem beide Zeitfenster nebeneinander vertreten sind. Viele aus dem 13. Jahrhundert bekannte Schuhtypen können auch hier nachgewiesen werden - aber es gibt im Detail auch Unterschiede, die hier an einem Beispiel aufgezeigt werden sollen.
Beim nachfolgenden halbhohen Schuh fällt zunächst die Schnürung auf, die im Gegensatz zum Halbschuh mit Ristschnürung (Halbschuhe, oben) komplett umläuft, wie es im 13. Jahrhundert nur noch vom Hohen Schuh (Hohe Schuhe) bekannt ist. Im 11. Jahrhundert scheint diese Konstuktion jedoch auf Abbildungen der dominanteste Typ zu sein. Desweiteren fällt auf, dass dieser Schuh bereits eine vollständig ausgeprägte Paspel aufweist, deren Funktionalität (Versteifung am Schafteinstieg) der Schnürwirkung am Knöchel selbst entgegen läuft und somit vorrangig einen Zug im vorderen Ristbereich zulässt - wie es die spätere Schnürung am Halbschuh des 13. Jahrhunderts auch tut.
Zuletzt sei auf die Sohle im Fersenbereich hingewiesen, die wie bei Schuhen des Frühmittelalters hier noch dreiecksartig nach oben gezogen ist - aber im konkreten Beispiel nicht mehr ganz so weit wie noch früher üblich. Andererseits finden sich im Fundgut durchaus auch bereits erste Beispiele, die ganz ohne derartige Sohlenzwickel auskommen - also eine Konstruktion, wie wir sie von späteren Zeiten gewohnt sind.