Werkzeuge zur Textil- und Lederbearbeitung
Spindeln/Wirtel
Wohl das wichtigste Werkzeug bei der Herstellung von Textilien in der Geschichte der Menschheit ist die Spindel, die zur Herstellung von Garn aus Wolle oder anderen Rohstoffen (wie z.B. Flachs) dient. Sie bleibt bis weit in das Spätmittelalter hinein das Hauptwerkzeug zur Hauptnebenbeschäftigung von Frauen, nämlich dem Verspinnen von Wolle, zum Beispiel im Auftrag eines im Verlagswesen arbeitenden Tuchmachers aus einem nahe gelegenen Zentrum.
Die hier gezeigten Spindeln haben Wirtel nach Funden von der Burgruine Neideck (14./15. Jahrhundert) mit Spindelstäben nach Vorlage eines Fundes aus Leipzig, 13. Jahrhundert. Der Stab ist aus Eschenholz mit einer Länge von 33,5cm und einem maximalen Durchmesser von 0,8cm und verjüngt sich zu beiden Enden hin.
Aus der Region sind aber auch Funde von Spindeln aus dem Komplex von Bad Windsheim bekannt, die ähnliche Maße zeigen. Wirtel sind prominent im archäologischen Fundgut vertreten und können auch in der Region vielfach nachgewiesen werden, da sie offenbar häufig verloren gingen und in ihrer Form heute schlecht falsch zugeordnet werden können.
Kreuzhaspel
Wie im Abschnitt Vom Schaf zum Gewand beschrieben, erfolgt als Zwischenschritt nach dem Spinnen des Garns oder nach dem Zwirnen das Haspeln, bei dem der Drall der gesponnenen Fasern quasi eingefroren wird sowie das Aufspulen erleichtert wird.
Ein einfacher Grundtypus einer Haspel ist die Kreuzhaspel, die sich auf Abbildungen durch das Hoch- und Spätmittelalter zieht. Archäologische Fragmente (vor allem der beiden Querarme) finden sich z.B. in Schleswig, auf die sich die nebenstehende Rekonstruktion bezieht. Als Holzart wurde hierbei Buche verwendet.
Schere
Das Vorbild der abgebildeten Schneiderschere entstammt dem Schleswiger Fundkomplex aus dem 13. Jahrhundert. Sie hat eine Länge von ca. 20cm und ist von Hand aus einem Stück geschmiedet, so dass sie keine Nietverbindung enthält. Im entspannten Zustand schließen die beiden Scherenschneiden nicht. Erst nach dem Einrasten der Schere steht diese unter Spannung, so dass sie sauber schneidet. Die rechte Abbildung zeigt ein zweites, deutlich kleineres Exemplar. Bei dieser einfachen kurzen Variante entfällt das charakteristische gebogene Endstück.
Ahlen
Meine hochmittelalterlichen, handgeschmiedeten, Rundahlen für die Lederbearbeitung haben ebenfalls Vorlagen in den Schleswiger Funden, sind aber in dieser Form in vielen anderen Fundkomplexen vorhanden, darunter sogar Funde des 14. Jahrhunderts in Franken und halten sich in dieser einfachen Form natürlich auch durch das Spätmittelalter hindurch.
Die Länge entspricht mit 5 - 20cm der heutiger Rundahlen. Der Griff ist bei den gezeigten Beispielen jeweils aus Buchsbaumholz oder Obsthölzern.
Gebogene Ahlen sind im Fundgut deutlich seltener vertreten, aber für das 13. Jahrhundert bereits in Basel nachzuweisen. Weitere Beispiele aus dem frühen 14. Jahrhundert sind zum Beispiel aus Straßburg bekannt.
Ledermesser Eignet sich die Schere noch zum Schneiden dünnen Leders, so ist spätestens bei Sohlenleder auf ein Messer zurück zu greifen. Aus dem 15. Jahrhundert kennen wir den typischen Halbmond mit Dornfortsatz (siehe z.B. Miniaturen der Mendelschen Zwölfbrüderstiftung). Ein Vorläufer des Hohen Mittelalters scheint der abgebildete Typus des "Viertelmondes" zu sein, der eine gebogene Schneide aufweist.
Sind die bisher gezeigten Messertypen in Form und Größe eher unstrittig, so sind die in der Mendelschen Zwölfbrüderstiftung wiederholt anzutreffenden großen Ledermesser mit langgezogener gebogener Innenschneide (siehe z.B. dieses Beispiel) in Bezug auf archäologische Funde nicht nachweisbar. Dennoch scheint es sich bei den genannten Abbildungen um eine Art Stereotyp zu handeln - entweder in der hier gezeigten Form mit einem zweigeteilten Rücken oder als sichelartiges Messer. So oder so: In beiden Fällen sieht man den Schuhmacher beim der Arbeit an der Sohle des fertigen Schuhs. Eine denkbare Interpretation an dieser Stelle wäre die Einordnung der Tätigkeit als Abschneiden überständigen Leders, z.B. bei der Herstellung des Kethers - oder eine Art Glattschaben der fertigen Sohle.
Locheisen Zur Verzierung des Oberleders bei Schuhen mit Durchbruchmuster können für polygonale Verzierungen (zu denen auch Drei- und Vierecke zu zählen sind) bereits einfache Schlitzeisen verwendet werden, die aber im Kontext der Lederarbeit konkret nicht im Fundgut oder auf Abbildungen nachweisbar sind. In diesem Fall muss vom Produkt auf das Werkzeug geschlossen werden. Gestanzte Durchbruchsmuster, wie sie im 13. Jahrhundert an Schuhen sehr oft anzutreffen sind, sind mit derartigen Werkzeugen deutlich besser zu erreichen, als mit kleinen Messern, selbst mit modernen Skalpellen. Weitere Beispiele und Ausführungen hierzu finden sich unter Verzierte Schuhe.
Interessanter ist die Herstellung von kreisrunden Verzierungen. Diese können im einfachsten Falle mit einer Rundahle gestochen werden. Allerdings platzt dann in der Regel das Material lediglich auf und wird verdrängt, aber nicht entfernt. Deshalb lassen sich Locheisen bereits in das Hochmittelalter zurück verfolgen, wie die rechts abgebildete Replik eines Locheisen aus dem Schleswiger Fundgut zeigt. Auf der linken Seite sind weitere Beispiele gezeigt.
Allgemeines Werkzeug
Säge
Bügelsägen wie die hier abgebildete (neuzeitliche) Zimmermannssäge lassen sich auf Abbildungen bereits sehr weit zurückverfolgen.
Spaten
Der Spaten als solcher ist kulturhistorisch im Land- und Hausbau nicht wegzudenken. So ist er auch im Mittelalter ein weithin präsentes Werkzeug. Jedoch ist bedingt durch die Fundsituation davon auszugehen, dass er im Hochmittelalter oft noch voll aus Holz gefertigt wurde. Nur im Einzelfall lassen sich eiserne Spatenschuhe finden, die der Robustifizierung der Spatenkanten dienen. Erst später wird Eisenverarbeitung so einfach, dass massive Spatenköpfe, wie wir sie heute kennen, zur Regel werden.
Das gezeigte Beispiel des Spatens ist in dieser Form also für das gesamte ausgehende Hochmittelalter und das Spätmittelalter gebräuchlich. Der Spatenkorpus ist hierbei aus Esche gefertigt.
Ein Beispiel aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts für einen derartigen Spatenschuh wurde bei einer Grabung auf der Burg Rodersen in Nordhessen gefunden (Terminus ante quam 1262) - wobei hier natürlich nichts vom Holz erhalten war.
Sichelmesser
Sichelmesser unterschiedlichster Formen finden sich durch das gesamte Mittelalter durch z.B. als Rebmesser, also als Hilfsmittel beim Weinbau. Dabei dominieren nach Saggau (Schleswiger Eisenfunde) spätestens seit dem Spätmittelalter Bogensicheln gegenüber der alternativen Form als Hakensichel, wobei die Schneide wohl oft gezahnt ausgeführt wurde. Das hier gezeigte Beispiel orientiert sich jedoch an ebenfalls auftretenden Funden mit glatter Schneide (siehe z.B. Schleswig, Ende 13. Jhdt. und diverse thüringische Funde des 13. und 14. Jhdts.). Vergleichbare Funde in unserer Region gibt es z.B. im 14. Jhdt. in Neuses.
Einzelne Abbildungen der frühen Neuzeit zeigen die Verwendung ähnlicher Messertypen als Ledermesser, wobei die konkave Schneide offenbar einen ähnlichen Verwendungszweck hatte wie das oben gezeigte gebogene Ledermesser.
Nägel
Geschmiedete Nägel lassen sich in einer Reihe von Ausgrabungen aus dem Hoch- und Spätmittelalter nachweisen, werden aber bei der Holzverarbeitung noch wo es geht möglichst vermieden (Zapfverbindungen, Holznägel).